Zwiespalt · Discord
In March 2001, the artist created a project of two towers that was to evoke thought and emotion about individual an social defensiveness and its effects … namely its danger in providing the illusion of invulnerability.
In September of 2001, this illusion was made horrifiyingly apparent: 9/11 happend.
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Der verletzliche Mensch
Etwa ein halbes Jahr vor dem Angriff auf das World Trade Center in den USA entstand die Skulptur Zwiespalt. In ihr behandelt Anette Becker ein für ihr Schaffen zentrales Thema: das Wissen um die eigene Verletzlichkeit, aber auch das Wissen darum, dass jeder Schutz eine Einschränkung von Lebendigkeit, Verbundenheit und Wachstum bedeutet.
Wie viel Schutz brauche ich, um mein Leben erhalten zu können? Wann fängt Schutz an, eben dieses Leben zu ersticken? Wie viel Verletzlichkeit muss ich riskieren, um mit dem Leben verbunden zu bleiben?
In einem Interview sagte Anette Becker: „Der beste Schutz ist es, sich seiner Verletzlichkeit bewusst zu sein.“ Damit verweist sie auf eine andere Sicht auf diesen Zwiespalt. Es ist nicht die Sicht derer, die Entscheidungen treffen müssen: für Schutz, weil beispielsweise eine Bedrohung real ist, oder für Öffnung, weil eine weitere Abkapselung ein Übermaß an negativen Auswirkungen erzeugt. Es ist vielmehr eine Sicht, die der Erkenntnis folgt, dass jede Seite ihre Berechtigung hat und es keine endgültige Entscheidung für die eine und gegen die andere geben kann.
Denn das Bedürfnis nach Schutz ist so vital wie das Verlangen nach Hingabe. Und jeder wird erkennen müssen, dass er weder vermeiden kann, Verletzungen zu erleiden, noch solche Verletzungen anderen zuzufügen. Denn oft genug führt schon ein übersteigertes Schutzbedürfnis zu Handlungen, die ihrerseits andere verletzen, die wiederum in Abgrenzung und Gegenwehr übergehen. Ein Teufelskreis aus Misstrauen, Gewalt und Gegengewalt, Angriff und Gegenangriff.
Wer handeln muss, muss entscheiden und das jeweilige Risiko auf sich nehmen und es ganz und gar verantworten. Nur wer nicht handeln muss, kann sich jener anderen Sicht öffnen, die beide Seiten anerkennt. Sie mündet vielleicht sogar in die Erkenntnis, dass es dieser Zwiespalt ist, der eine Grundspannung erzeugt, in der das Menschsein sich zu bewähren hat. Ohne diese Spannung wäre es dem Menschen nicht möglich, in sich selbst den Täter zu finden, der befriedet werden muss.
Text: Janssen Peters