Interview mit der Künstlerin
Diese Fotowand zeigt die Zerstörungen jeder einzelnen Stele aus der Installation „Unerlöst”. Warum war diese Dokumentation nötig?
Becker: Ich machte sehr eindrückliche Erfahrungen mit Menschen, die meine Installation „Unerlöst” begangen haben. Gerade diejenigen, die schlimme Zerstörungen erlebten und Opfer von Gewalt wurden, zeigten das Bedürfnis ihr persönliches Leid mitzuteilen. Manchmal zum ersten Mal.
Mit der Zeit ähnelten sich die Berichte und Schicksale, die ich natürlich auch aus den Medien kannte und vor allem dort vermittelt bekam. Bei mir stellte sich ein mir bereits bekannter Mechanismus ein, nicht mehr offen zu sein für solche Schicksalsberichte, besonders für die, die ich im Fernsehen sah oder in Zeitungen las.
Der persönliche Kontakt hingegen, mit der unmittelbaren Erfahrung von Leid eines Betroffenen zeigten mir, wie sehr es auf jeden einzelnen Bericht ankommt, damit sich etwas erlösen kann. Und wie sehr der Einzelne wahrgenommen werden will, sein Leid teilen möchte, damit sich etwas in ihm erlöst. Aber auch wie sehr ich diese persönliche Betroffenheit brauche, um etwas zu erfahren!
Was konnten Sie daraus ableiten?
Becker: Es gibt keine kollektive Erlösung, nur eine individuelle aber die individuelle Erlösung hat eine Wirkung auf die kollektive. In der künstlerischen Umsetzung bedeutete dies für mich, alle Zerstörungen bzw. Wunden jeder einzelnen Stele zu dokumentieren. Ich entschied mich für die Fotografie. Insgesamt wurden es 1.176 Fotos, bis jede Stele erfasst war!
Die Fotowand zeigt die Problematik der kollektiven Betrachungsweise. Die Vielzahl der Fotos lösen im Betrachter den gleichen Mechanismus aus, den ich bei mir auch erlebte. Es findet eine Überforderung statt und man neigt zu einer oberflächlichen Betrachtung – eine grob wahrgenommene Gleichheit. Sicherlich könnte man, um noch ein wenig mehr zu differenzieren, in 4 oder 5 Kategorien einordnen (z.B. kaputte Anfangs- und Endstücke, Beschädigungen in der Mitte oder an den Kanten oben bzw. unten), aber innerhalb dieser Kategorien sind die Abbildungen schon sehr ähnlich. Beim genauen Hinschauen zeigt sich allerdings das Individuelle, Einzigartige. Jedes dieser Fotos ist verschieden und jedes zeigt eine persönliche Erfahrung und ganz individuelles Leid.