Dienstag, der 11. September 2001
Ein Schock hebt die Zeit auf. Sie verlangsamt sich, steht schließlich still. Nicht nur die Bilder, die in solchen Momenten wahrgenommen werden, sondern das gesamte Umfeld brennt sich ein. Nach Jahren wissen Menschen weltweit, wo sie sich gerade befanden, was sie taten, mit wem sie zusammen waren. Und es klingt noch immer nach, was man empfand.
Die medial vernetzte Welt hat Millionen Menschen zu Zeugen der Geschehnisse am 11. September in New York und Washington gemacht; viele haben die letzten Phasen am Bildschirm live mitverfolgt. Das Ereignis ist in Wellen über die Welt gegangen. Viele empfanden das Traumatische, fast alle dachten: Etwas ändert sich in diesem Augenblick.
Symbole nicht nur der US-amerikanischen, sondern der gesamten westlichen Welt und ihres wirtschaftlichen und politischen Führungsanspruchs wurden attackiert, verletzt, zerstört: World Trade Center, Pentagon. – Dreitausendundzwölf Menschen starben, verbrannt, erschlagen, erstickt, zu Tode gestürzt. Tausende verloren Angehörige. Nur jedes zweite Opfer konnte identifiziert werden.
Die neunzehn Täter benutzen keine Waffen, sondern zivile Güter. Sie töten keine Soldaten, sondern Zivilisten. Und sich selbst. Ein Terror, dessen Hintergrund ein politisch-religiöses Gemenge ist: ideologisch diffus, organisatorisch nebulös, menschlich abgründig.
Der Angriff brachte Glaubenssätze zum Einsturz: auf eigenem Territorium unverletzlich zu sein, in der Welt als Verfechter von Freiheit und Unabhängigkeit geachtet zu werden, mit Lebensstil, Individualismus und „pursuit of happiness“ Vorbild und Vorreiter für alle zu sein.
Die politische Reaktion unter dem Namen „Krieg gegen den Terrorismus“ folgte schnell. Allianzen entstanden, Kriege wurden geführt oder verschärft ausgetragen, im Irak, in Afghanistan. Sturz Saddam Husseins, Sturz der Taliban. Terrorbekämpfung gegen al-Qaida, gegen Separatisten, gegen politisch-radikale Gegner. Neue Täter, neue Opfer, darunter unzählige Zivilisten, dazu regional politische Instabilität und wirtschaftlicher Niedergang.
Der 11. September hat ein nationales Trauma geschaffen. Die Wunde klafft, noch heute. Sie hat sich fortgesetzt in ein Handeln, das in gut und böse, in Opfer und Täter, in Gerechte und Ungerechte trennt. Aber erst wenn diese Trennung aufgegeben wird, wird der Prozess einer Heilung beginnen können.
Text: Janssen Peters